Episode 1

Schwerpunkt: Nackte Stadt

Episode 1

Eine erste Berührung
Text und Foto: Ayumi Rahn
Die Anspannung der letzten Minuten, die Berührung könnte vielleicht doch nicht zustande kommen, es könnte vielleicht doch noch etwas in die Quere kommen, löst sich auf in Neugier: Wie die fremden Lippen sich wohl anfühlen werden, in weniger als einer Sekunde. Wie weich, wie warm, wie zart, wie feucht? Die Zeit verlangsamt sich für einen umso flüchtigeren Augenblick, den ich später hervorholen werde, um ihn immer wieder abzuspielen, Zeitlupe, Zeitschleife.

Ein gründliches Nachvollziehen der Entwicklung zu diesem Punkt: Erst war das, dann war das, dann war das, was war dann. Was ist jetzt?
Und noch weiter vorher angesetzt: Hatte ich da schon eine Ahnung?
Auf mein Begehren bezogen: War der Übergang dahin fließend oder abrupt?

Der Moment, in dem mir bewusst war, dass da was ist, war in der Bar, als ich ihn unterbrochen habe und er mit einem leisem „warte mal“, meine Hände mit seiner linken Hand nach unten gesenkt hat, um seinen Satz zu beenden.

Ein erster Kuss, vorsichtige Berührungen der Zungen. Der Heimweg, nicht meiner, wird unterbrochen von Küssen. Das fremde Zuhause.

Er holt zwei Gläser Wasser, wir trinken nacheinander aus einem. Nervöserer Kuss, mehrere, neben dem Bett stehend. Ich setze mich aufs Bett, ziehe mich aus, werde ausgezogen. Etwas hektisch, das enge Hosenbein verhakt sich an meiner Ferse, wir lachen. Er berührt mich vorsichtig, ganz leicht meine Beine entlang, zwischen meinen Beinen, dann etwas stärker.
 
Ich denke, was ich immer denke, wenn ich mit jemandem zum ersten Mal Sex habe, dass mir gleich alle Bewegungen und Reaktionen einen Einblick geben werden in das, was der unbekannte Körper alles schon mit weiteren gemacht hat, in Nächten oder an Tagen. Wie ein intimes Kompendium, das ich nun kennenlernen werde und um meine Taten erweitere.
Ich denke das Wort Geschlechtsverkehr, oder habe ich es im Nachhinein hineingedacht in die Situation? Es kommt mir merkwürdig unwirklich vor: Wie ein an sich geläufiges Wort, das wenn man es nur oft genug wiederholt, all seine Formalität verliert und zu einem sinnfreien Geräusch wird.

Nun könnte es für immer so weitergehen. Tagelang. Er in mir, sein Kopf zwischen meinen Beinen, ich mache es mir selbst, er schaut hin, er dringt in mich ein, er nimmt meine Beine über meinen Kopf, so dass er so tief in mir ist wie möglich, ich sitze auf ihm, bewege mein Becken wie in Zeitlupe.

Ich lege mich auf ihn. Ich spüre, was innen ist, was außen. Wir liegen nebeneinander und sehen uns an. Er sagt etwas. Er dringt in mich ein. Wir liegen nebeneinander und sehen uns an, er fährt meinen Körper nach, mit dem Finger über mein Becken, meine Hüfte hinunter, bergauf meine Taille, bergab in meinen Schritt, und hinein. Er fragt: bist du gar nicht kitzelig? Ich denke, eigentlich schon, aber spüre gerade nur den starken Widerhall all seiner Berührungen. Ich öffne die Beine. Ich spüre mich selbst. Kurz ist es mir unangenehm, seine Zunge so tief in mir zu spüren. Ich spüre alles deutlich und doch wie hinter Glas. Ich denke, das hätte ich im Leben nicht gedacht. Wir liegen nebeneinander und sehen uns an. Ich sage, wann hast du eigentlich Geburtstag? Er sagt ein Datum. Und Stille, nicht still, aber wortlos, und Schönheit und Klarheit für den Moment ...
 
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Fundsachen

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