Praktiken und Strategien stadtpolitischer Initiativen

Praktiken und Strategien stadtpolitischer Initiativen

Ein Bericht vom Dragonerareal in Berlin-Kreuzberg
Text und Fotos: Stadt von Unten

Zu Beginn erst einmal ein paar Worte zum Gelände: Beim sogenannten Dragonerareal handelt es sich um eine innerstädtische Fläche von 4,7 Hektar (etwa sechseinhalb Fußballfelder), die etwas versteckt in der geografischen Mitte Berlins liegt und selbst vielen Anwohner*innen lange unbekannt war. Der merkwürdige Name nimmt Bezug auf die Zeit, als auf dem Areal preußische berittene Soldaten stationiert waren. Seit deren Auszug nach dem Ersten Weltkrieg ist es zu einem Gewerbegebiet geworden, welches allerdings vom Eigentümer, der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben oder „BImA“, nach und nach heruntergewirtschaftet wurde. Die Bundesanstalt wollte das Gelände lieber früher als später höchstbietend privatisieren.
Wer von den Dächern aus über das Gelände blickt, sieht es sofort: Viele Gebäude stehen leer, alles wirkt etwas verträumt und verlassen, irgendwie verschwenderisch und ungenutzt. Dabei haben wir es nicht mit einer Brachfläche zu tun, sondern mit einem Ort, an dem viele Gewerbetreibende ihrem Geschäft nachgehen: Einige Kfz-Werkstätten, eine Taxischule, ein Getränkehandel, ein Supermarkt, eine Marmorwerkstatt, eine Polsterei, eine Bar, ein Club und weiteres Kleingewerbe sowie Künstler*innen haben hier ihren Sitz. Seit vor einigen Jahren bekannt wurde, dass das Gelände privatisiert und die bisherigen Aktivitäten möglicherweise durch Luxuswohnungen ersetzt werden sollten, haben sich mehrere Initiativen gegründet, die der Spekulations- und Privatisierungswelle in der Stadt ein klares „Nein“ entgegen setzen und auf dem Gelände viel Platz für Neues sehen.
Unsere Initiative, Stadt von Unten, ist nur eine davon: Den Anfang hat der Verein Upstall gemacht, die direkte Nachbarschaft hat sich in der Gruppe Dragopolis organisiert, und die Initiative Januaraufstand setzt sich für einen Geschichtsort ein, der unter anderem an die Ereignisse erinnern sollte, die auf dem Areal während der Revolution von 1918/19 stattfanden. Darüber hinaus sind lokal etablierte Nachbarschaftsinitiativen wie Wem Gehört Kreuzberg? oder das Kiezbündnis am Kreuzberg hier aktiv, und die auf dem Gelände ansässigen Gewerbetreibenden sind mittlerweile ebenfalls gut vernetzt.
Aus der Zusammenarbeit zwischen uns und all diesen anderen Initiativen sind die Praktiken und Strategien hervorgegangen, die wir im Folgenden vorstellen wollen. Gemeinsam haben wir das Gelände für die Stadtgesellschaft zugänglich gemacht und die Privatisierung verhindert.
 
Aneignen
Lange war das Areal vor allem ein Arbeitsort, geprägt durch den Alltag der Gewerbetreibenden, die Besuche der Kund*innen und vielleicht noch vereinzelte Spaziergänger*innen. Die hegemoniale Erzählung präsentierte das Gelände dennoch als eine ungenutzte und verfallene „Potenzialfläche“. Dem wollten wir etwas entgegensetzen, wobei uns vor allem wichtig war, auf die Bedeutung der Fläche für die Nachbarschaft und für den Stadtteil aufmerksam zu machen. Dazu eigneten wir uns das Gelände auf ganz verschiedene Arten an: durch eine Vielzahl von Aktivitäten, durch räumliche Veränderungen, aber auch durch neue Erzählungen. Wir von Stadt von Unten haben beispielsweise Spaziergänge über das Gelände veranstaltet, erst einmal um es überhaupt kennenzulernen und darüber hinaus, um ein breiteres Publikum damit vertraut zu machen. Außerdem luden wir die Nachbar*innenschaft und andere Initiativen ein, plakatierten die Wände, veranstalteten Informationsveranstaltungen und Demos, und organisierten Dinner unter freiem Himmel. Viele der Besucher*innen und Gäste waren zum ersten Mal auf dem Areal. Allein der Blick auf das Nebeneinander von nachbarschaftlichem Kleingewerbe, leer stehenden Hallen und ungenutzten Flächen regte immer wieder die Fantasie und Debatten darüber an, was hier neu entstehen könnte oder sollte.
In den Sommern seit 2016 lockten die Dragonale-Festivals von der Initiative Dragopolis Hunderte Menschen auf das Gelände – zu Konzerten, Lesungen und Spielen, die von öffentlichen Diskussionen über die anhaltende Gentrifizierung sowie die Verdrängung von Gewerbe in Kreuz-berg und ganz Berlin, aber auch über die Zukunft des Areals begleitet wurden. Unter „Aneignung“ verstehen wir auch temporäre Besetzungen. Gemeinsam mit dem Netzwerk von Straßenkünstler*innen Reclaimthecity haben wir uns Ende 2014 für einen Abend und eine Nacht eines der vielen leer stehenden Gebäude genommen und dort einen Raum aufgemacht, in dem sehr schöne – zum Teil noch heute sichtbare – Kunstwerke entstanden. Der Wert dieser Aktion, wenn auch temporär, lag darin, dass Hunderte Menschen dadurch einen besonderen Blick auf das Gelände werfen konnten.
Ebenfalls eine Form der Aneignung stellte für uns der Aufbau von Stadtteilgärten dar. Nach einigen unserer Aktionen schrieben uns Nachbar*innen, dass ihr Blick vom Balkon so grau sei, und ob wir das nicht gemeinsam ändern könnten. So bauten wir mit ihnen zusammen einen kleinen urbanen Garten aus Hochbeeten auf, der später noch um Sitzmöbel ergänzt werden konnte. Allerdings war die BImA davon nicht begeistert: Nach nur wenigen Wochen ließ sie als Eigentümerin den Garten abräumen. Wir bauten anschließend den Garten einfach wieder auf – diesmal mit noch mehr Menschen, stabileren Möbeln und der Unterstützung einiger Politiker*innen. Selbst einen Mietvertrag schickten wir der Eigentümerin, wenn auch ohne Erfolg. Diesmal wurde der Garten keine 48 Stunden stehen gelassen.
Dass all unsere Aneignungsaktionen nur temporär stattfanden, wurde zunehmend als Problem empfunden. Die verschiedensten Initiativen forderten einen dauerhaften Raum auf dem Gelände, der als Treffpunkt, als Veranstaltungsort und als Basis für die weiterführende Organisierung dienen sollte. Das Dragonerareal ist seit Sommer 2017 offiziell Teil des Sanierungsgebiets „Rathausblock“ und dies machte es für uns möglich, gemeinsam mit Nachbar*innen und den restlichen Initiativen eine solche Forderung in das vom Bezirksamt eingeleitete Beteiligungsverfahren einzubringen. Inzwischen hat der Bezirk einen dafür geeigneten Raum angemietet. Während die Renovierungsarbeiten laufen, entwickelt eine Arbeitsgruppe ein Konzept für die künftige selbstverwaltete Trägerschaft und Nutzung. Der Raum soll Anfang 2019 als Stadtteilzentrum auf dem Areal eröffnen.
 
Enteignen
Wer ist die BImA, der das Dragonerareal gehörte? Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben ist eine Bundeseinrichtung, die dem Bundesfinanzministerium direkt unterstellt ist. In ihr wird ein neoliberales Musterkind der Bundesregierung sichtbar: Sie wurde 2004 von der damaligen rot-grünen Regierungskoalition gegründet, um bundeseigene Liegenschaften zu verwalten und oder zum Höchstpreis zu verkaufen.
Wenn wir also im Hinblick auf das Dragonerareal von der Notwendigkeit einer „Enteignung“ sprechen, mag das zunächst etwas überraschen: Das Gelände war, als Eigentum der BImA, eigentlich bereits in der öffentlichen Hand. Hier wird allerdings ein Paradox sichtbar: Diese öffentliche Hand ist so strukturiert, dass sie systematisch öffentliches Eigentum zum Höchstpreis privatisiert. Dies versetzte uns zunächst in die verrückte Situation, einerseits eine Privatisierung verhindern zu wollen, das Gelände aber andererseits der öffentlichen Hand (des Bundes) entreißen zu müssen. Nur dadurch schien die Möglichkeit gewährleistet zu sein, dass es für eine Stadtentwicklung im Interesse der Stadtgesellschaft nutzbar gemacht wird.
'Als wir uns 2014 gründeten, sah es erst einmal stark nach Privatisierung aus. Unsere ersten Aktionen verfolgten dementsprechend das Ziel, ein Höchstbieterverfahren und die Geländebesuche von potenziellen Investor*innen „kreativ zu begleiten“. Wir nahmen zum Beispiel am Höchstbieterverfahren teil: Ein Euro für das Gelände und soziale Stadtentwicklung von unten waren unser Gebot. Den Zuschlag bekam, kaum überraschend, jemand anderes: Die Dragonerhöfe GmbH, die das absurd hohe Gebot von 36 Millionen Euro abgab. Die Dragonerhöfe GmbH ist ein klassischer Immobilieninvestor: Sie hat mit Bauen oder Quartiersentwicklung eigentlich nichts am Hut, sondern ist rein an der Finanzanlage interessiert, das heißt an der aus einer Immobilie erzielbaren Rendite. Dahinter stehen eine Aktiengesellschaft in der Schweiz, zwei Geschäftsführer aus Wien und eine Art Strohmann in Berlin, Arne Piepgras. Besonders Letzterer ist als Entwickler von Kulturprojekten mit Gentrifizierung als Folge in der Stadt bekannt.
Parallel dazu informierten wir einfach mal die Nachbar*innen. So seltsam das klingen mag: Auf die Idee war vor uns niemand gekommen. An unserer ersten Nachbarschaftsversammlung nahmen gleich 120 Leute teil, auch spätere Nachbarschaftsversammlungen waren sehr gut besucht. Offensichtlich interessiert es die Menschen, ob nebenan ein weiteres Luxuswohnprojekt mit entsprechenden Auswirkungen auch auf ihre Miete und ihren Alltag im Kiez entsteht.
Der aufkeimende Widerstand machte das Land Berlin auf die Verkaufspläne der BImA aufmerksam. Das Land begann sich gegen den Verkauf auszusprechen, und wies ab 2016 das Areal mit umliegendem „Rathausblock“ als Sanierungsgebiet aus, womit die Aussichten auf Rendite deutlich geschmälert wurden.
Im Laufe der Zeit fanden wir heraus, dass jeder Immobilienverkauf des Bundes, der mehr als 15 Millionen Euro wert ist, vom Haushaltsausschuss des Bundestags und zusätzlich auch vom Finanzausschuss des Bundesrats abgesegnet werden muss. Obwohl der Bundestag die Privatisierung schon weitgehend geräuschlos durchgewunken hatte, konnte das Land Berlin 2015 im Bundesrat eine Mehrheit dagegen mobilisieren. Dabei stellten sich die Länderfinanzminister*innen zum ersten Mal gegen eine Privatisierung: Das war ein großer Erfolg, fast ein historisches Ereignis.
Wir haben uns gefreut: „Wir haben gewonnen“, so dachten wir, „jetzt können wir endlich unsere Forderungen durchsetzen! Fantastisch!“ Doch prompt streute die BImA mit einer Klage gegen das Land Berlin Sand ins Getriebe. Es sollte bis in den Sommer 2019 dauern, bis das Gelände endlich ans Land Berlin übertragen wurde. Damit wurde es kommunalisiert. Ob diese „Enteignung“ der öffentlichen Hand (des Bundes) durch die öffentliche Hand (der Kommune) tatsächlich den Weg für eine Stadtentwicklung von unten frei machen wird, hängt auch davon ab, wie stark es uns als soziale Bewegung gelingt weiter Druck auf das Entwicklungsverfahren zu machen, um es tatsächlich zu vergesellschaften.
 
Vergesellschaften
Stadt von Unten war von Anfang an von der Idee getragen, eine positive und konkrete Alternative zur profitorientierten Stadtentwicklung zu formulieren. Viele von uns hatten im Rahmen der Mieter*innenbewegung die Erfahrung gemacht, dass es sehr schwer ist, aus dem bloßen „Reagieren“ herauszukommen. Um die reinen Abwehrkämpfe hinter uns zu lassen, sagen wir seit mehr als fünf Jahren: „Wir wollen eine konkrete Utopie entwickeln, auf die man sich beziehen kann!“ Diese „konkrete Utopie“, die im Hier und Jetzt ansetzt und durchsetzbar ist, aber dennoch über den bestehenden gesellschaftlichen Rahmen hinausweist, ist unsere Strategie.
Aus dieser Idee sind unsere beiden zentralen Ideen „Selbstverwaltet & Kommunal“ sowie „100 %“ entstanden. Unter den sogenannten 100 %-Forderungen haben wir Eckpunkte für eine Stadtentwicklung von unten zusammengefasst, um ein Gegengewicht gegen die seit vielen Jahren stattfindende Gentrifizierung zu bilden. Wir wollen, dass auf dem Gelände 100 % Mietwohnungen und Gewerberäume zur Miete entstehen, also kein Privateigentum. Diese Räume sollen zu 100 % wirklich bezahlbar sein, und nicht zu 30 oder 50 %. „Wirklich bezahlbar“ heißt: bezahlbar auch für Bewohner*innen, die von staatlichen Transferleistungen abhängig sind. Außerdem darf es keine finanziellen Hürden geben, wie sie beispielsweise Einlagen bei Genossenschaften darstellen. 100 % der gegenwärtigen Nutzer*innen des Geländes – die Gewerbetreibenden – sollen bleiben dürfen. Und der gesamte Entwicklungsprozess soll mit 100 % echter Teilhabe der Betroffenen und Interessierten, und unter Einbeziehung stadtweiter Interessen verlaufen. Aus diesen Grundsatzforderungen ist unser Modellprojekt, „Selbstverwaltet & Kommunal“, entstanden. Mit dieser Kombination versuchen wir, eine Balance zwischen den positiven Aspekten selbstverwalteter Projekte auf der einen und kommunaler, öffentlicher Institutionen auf der anderen Seite herzustellen. Werte wie Autonomie und kollektive Selbstverwaltung sollen verwoben werden mit der gesellschaftlichen Reichweite und den Aufgaben kommunaler Einrichtungen, eine soziale Infrastruktur für alle zu sichern. Im Ergebnis geht es um nichts weniger als um die Wiederaneignung und Demokratisierung kommunaler, öffentlicher Institutionen.
Das heißt: Es geht uns nicht darum, eine (weitere) linke Projektinsel zu ermöglichen, wo lauter Hausprojekte Wohnraum schaffen – wahrscheinlich sogar bezahlbaren Wohnraum, aber eben doch nur für die Glückseligen, die über genügend kulturelles und soziales Kapital verfügen. Gleichzeitig wollen wir vermeiden, dass eine städtische Wohnungsbaugesellschaft 500 Wohnungen auf das Areal klotzt. Dies hat zwei Gründe: Erstens agieren die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften seit vielen Jahren wie profitorientierte Unternehmen und sie garantieren nur einen bestimmten Anteil bezahlbarer Wohnungen. Zweitens wehren sie sich mit Händen und Füßen gegen jeden Versuch der inneren Demokratisierung, sodass ihre Mieter*innen – ähnlich den Mieter*innen im privaten Wohnungsmarkt – kaum Mitbestimmungsmöglichkeiten haben.
In dieser Form sind die städtischen Wohnungsunternehmen keine Partner*innen für eine Stadtentwicklung von unten, sie müssen grundsätzlich demokratisiert werden. Auch dafür soll das Dragonerareal ein Modell sein. Dafür setzen wir uns auch in dem Bündnis „kommunal & selbstverwaltet Wohnen“ zusammen mit Mieter*innen der landeseigenen Wohnungsunter nehmen ein. Entsprechend haben wir uns Ende 2017 gegen die kurzfristig angekündigten Pläne des Senats gewehrt, das Gelände kurzerhand einer landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft zu überschreiben. Nachdem der gemeinsame Widerstand der Initiativen am Dragonerareal diese Übertragung abgewendet hat, ist das Gelände zunächst in ein Sondervermögen des Landes überführt worden und wird von der landeseigenen Immobiliengesellschaft BIM treuhänderisch verwaltet.
„Selbstverwaltet & Kommunal“ ist für uns eine konkrete Perspektive, von der aus über die Vergesellschaftung von Wohnraum nachgedacht werden soll. Der erste und entscheidende Schritt ist dabei die Frage des Eigentums am Boden, denn eine sozial gerechte Stadt fängt beim Boden an. Boden ist keine Ware, er gehört ins kollektive, gesellschaftliche Eigentum. Um das abzubilden und wirkliche Mitbestimmung zu ermöglichen, wollen wir in der Eigentümerschaft des Dragonerareals die Interessen der Mieter*innen, der Nachbarschaft und der Stadtgesellschaft verankern. Dafür schlagen wir die Schaffung von einem „Bodenrat“ vor, wodurch die Eigentümerschaft am Boden paritätisch zwischen den verschiedenen Gruppen – das heißt, sowohl zivilgesellschaftliche als auch kommunale, institutionelle Akteure – aufgeteilt ist und die verschiedenen Interessen ausgeglichen werden. Der so „organisierte Interessenkonflikt“ würde eine Privatisierung langfristig ausschließen: Die Nutzer*innen des Geländes, also die Wohn- und Gewerbemieter*innen, wären daran interessiert, dass ihre Mieten bezahlbar bleiben und kein Profit mit dem Gelände gemacht wird; die lokalen Vertreter*innen, wie zum Beispiel lokale Vereine, Initiativen und die Bezirksverwaltung, würden dafür sorgen, dass die Belange der Nachbarschaft mit einbezogen werden, sodass das Modellprojekt keine Insel wird. Schließlich würden die Vertreter*innen des gesamtstädtischen Gemeinwohls, wie zum Beispiel demokratisierte landeseigene Wohnungsunternehmen, Mieter*innenvereine oder Wohlfahrtsverbände darauf achten, dass stadtweite Interessen berücksichtigt werden.
Um unsere Forderung nach 100 % Teilhabe umzusetzen, eignen wir uns ebenfalls das offizielle Beteiligungsverfahren des Sanierungsgebietes „Rathausblock“ an, und zwar mit einer konsequenten Haltung: Wir lassen uns nicht beteiligen, wir beteiligen selber. Zum Beispiel haben wir auf einer Versammlung mit 80 Nachbar*innen eine Erklärung verfasst, die den Diskurs der „sozialen Mischung“ – welcher immer wieder dazu genutzt wird, unsere Forderungen nach 100 % wirklich bezahlbarem Wohnraum abzuschmettern – offen kritisiert. Außerdem konnten wir erreichen, dass neben dem offiziellen Beteiligungsverfahren ein Kooperationsvertrag aufgesetzt wurde, der von Vertreter*innen aus Politik und Verwaltung und aus den beteiligten Initiativen, organisiert im „Vernetzungstreffen Rathausblock“, formuliert und unterzeichnet wurde. Dieses Kooperationsverfahren stellt uns vor ganz neue Herausforderungen: Wie können wir weiter öffentlichen Druck machen, wenn wir uns gleichzeitig dauernd mit unterschiedlichen Vertreter*innen der Verwaltung und Politik austauschen? Wie ist der immer komplizierter werdende Entwicklungsprozess mit seinem ganzen stadtplanerischen Fachvokabular noch öffentlich vermittelbar? Und wer garantiert uns eigentlich, dass die ganzen kooperativ ausgehandelten Beschlüsse am Ende nicht doch in der Papiertonne landen?
Die selbstverwaltet-kommunale Lösung der Bodenfrage ist eine Voraussetzung für die Vergesellschaftung des Dragonerareals und anderer Flächen in der Stadt, aber noch keine Garantie dafür. Es wird darauf ankommen, für jeden Entwicklungsschritt eine politische Öffentlichkeit herzustellen, die Interessen von sonst marginalisierten Anwohner*innen und Betroffenen in jeden Schritt einzubringen – und den Keim für eine Form von Stadtentwicklung zu säen, die über sich selbst, über das jeweilige Projekt und den jeweiligen Ort hinaus wirkt.
 
Stadt von Unten ist eine stadtpolitische Initiative, die sich seit 2014 gegen die Privatisierung des sogenannten Dragonerareals einsetzt. Mit ihrem Modelprojekt "selbstverwaltet & kommunal" vertrott sie eine Stadtentwicklung von unten mit 100% wirklich bezahlbaren, dauerhaft abgesicherten Mieten. Wir sind Mieter*innen dieses Stadtteils und dieser Stadt. Architekt*innen und Stadtforscher*innen, erwerbslose, Aktivist*innen und Verdrängte, die wissen was es bedeutet, wenn Wohn- und Arbeitsräume zu unbezahlbaren Waren werden.

Der Beitrag ist erstmals in der Publikation Lefebvre for Activists, herausgegeben vom Kollektiv Quotidien, im adocs Verlag, Hamburg, erschienen.
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